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Solche und solche Mühen oder In der Wand und an der Wand

In den Ammergauer Bergen.

In den Ammergauer Bergen.

Was passierte, als die beglückenden Mühen der Berge hinter ihm und die Mühen des Erwerbs- und Familienlebens in der Rheinebene bei Karlsruhe vor ihm lagen und auf ihm lasteten? Es muss mehr als nur ernüchternd gewesen sein, als mein Vater erlebte, was das jahrelang herbeigesehnte ständige Zusammensein mit Frau und Kindern im Alltag bedeutete. Hat er vor sich selbst zugegeben, dass sein vermeintliches Oberammergauer Unglück sein Glück gewesen ist, und dass er, endlich wieder oder erstmals glücklich vereint mit den Seinen, unglücklicher nicht sein konnte? Hinzu kam, dass seine neue alte Werkstatt in Karlsruhe nach 1962 zunächst keineswegs gut lief. Dass in Oberammergau die Nachfrage nach Schnitz- und Bildhauereiwaren kaum befriedigt werden konnte, muss ihn zu dem vermeidbaren Trugschluss verleitet haben, dass dies in Karlsruhe ebenso oder doch so ähnlich auch der Fall sein würde. Die Karlsruher aber brauchten alles mögliche, nur keine geschnitzten Kruzifixe an der Wand.

Und als Bub wird sie ein Peter

Er wurde dann doch eine Barbara, geboren am 4. Januar 1959

Er wurde dann doch eine Christa Barbara, geboren am 4. Januar 1959

Oberammergau, 16.11.1958: „Christl, wir werden einen Weg finden, miteinander in München eine Wohnung zu bekommen. Ich möchte wirklich nur in diese Stadt. In Karlsruhe ist zu viel Trübes und hier ist es zwar sehr schön, aber der Gedanke, immer hier zu sein, ist mir nicht angenehm. Wenn ich schon daran denke, was München für ein Kulturzentrum ist und eben doch eine Stadt ist. Meine Freude am Wandern in den Bergen erschöpft sich auch nicht mit dem bloßen Genießen der Natur, sondern ich will das, was ich dabei sehe, auch ein bissel in bescheidenem wissenschaftlichen Maße auswerten. Diese Möglichkeiten gibt es alle in München. Na, für mich scheint die Stadt eben ideal, und Schatz, ich glaube, daß sie Dir auch gefallen wird. / […] / In der vergangenen Woche hatten wir in der Firma auch ein freudiges Ereignis, denn unserem Meister, dem Herrn Lang, wurde nach fünf Mädchen endlich der Kronprinz geboren. Daß da an zwei Tagen gefeiert wurde, kannst Du Dir denken. Mitgesoffen habe ich nicht, denn ich kann das einfach nicht, so gerne ich auch bei meinen Kameraden auf dem Gebiet keinen Außenseiter machen möchte. Nach der zweiten Flasche Bier und etwas Schnaps werde ich so müde, daß ich unweigerlich ins Bett muß. Sie nehmen es mir zum Glück nicht übel, denn irgendwie spürt man doch die individuelle Natur eines jeden Menschen und der eine ist eben so und der andere so. Aber ansteckend war die allgemeine Faulheit dann doch auf mich. / Mit Karl verstehe ich mich recht gut. Wir mußten unsre Farbdias schon dreimal mit einem Projektor vorführen. Die Bilder nehmen sich an der Leinwand aber auch sehr gut aus. Er sitzt am Vorführungsgerät und ich muß reden. Zum Lachen war es, wenn die schönen Blumen kamen, aber mir die einzelnen Namen noch nicht ganz intus sind. Da hilft natürlich meiner ‚lateinische Sprachkenntnis‘ gut, daß keiner der Anwesenden Lateinisch kann. Es sind aber auch zu viele Gräser und versteckte Blumen auf den großprojektierten Bildern zu erkennen. Ich bin mal gespannt, ob ich mit Karl den Plan verwirklichen kann, daß wir im nächsten Jahr eine große Sammlung von Alpenpflanzen in Bildern zusammen bekommen. / Heute ist trübes Wetter, das allerdings schon die ganze Woche anhält. Christl, Lieb, bist Du es sehr leidig? Es drückt sicher auf Dein Gemüt. Ach, noch vierzehn Tage, dann kannst Du wenigstens vom Geschäft wegbleiben. Und wenn es erst mal Dezember ist, wird es auch Weihnachten. Ich komme an Weihnachten zu Dir und Lothar. Und wie wir es dann bis zur Geburt unseres Kindes machen, werden wir sehen. Ich habe schon zweimal geträumt, daß es ein Mädel wird. Wir taufen sie Christa Barbara. Und als Bub wird sie ein Peter. Schatz, was denkst Du, wie sich Lothar freut, wenn wir in München am Sabbat oder Sonntag die vielen interessanten Museen besuchen können und eine kleine Schwester mitführen können. Und der Starnberger See ist auch nicht weit. Wenn es nur schon an der Zeit wäre. Dann ist ja in München auch noch eine große Gemeinde von uns. Also München wäre mir schon recht. / […] / Christl, nun habe ich noch eine Bitte. Schreibe doch mit der Maschine eine Rechnung an Schnappinger und bringe sie am Wochenende zu ihm. Das Geld geht an Dich. / a) Kleiner Normalkruzifixus DM 25,- / b) Kleiner Grünewald DM 40,- / c) 30er Grünewald DM 65,- / d) 40er Grünewald DM 95,- / e) 25er Würzburger DM 40,- / f) 40er Normalmodell DM 75,- / Christl, mein Lieb, nun laß Dich innigst grüßen und wenigstens in Gedanken küssen von Deinem / Berthold. / Viele Grüße an unseren Lothar, an Mutti und Siegfried!“

Das Christus-Kreuz in Karlsruhe-Neureut

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B. Rumold: Christus-Kreuz, ca. 4 m hoch, 1964

1964 erhielt der Karlsruher Stadtteil Neureut einen neuen Hauptfriedhof. An zentraler Stelle befindet sich ein Ehrenfeld (u. a. mit der Grabstätte des 1977 ermordeten ehem. Generalbundesanwalt Siegfried Buback), das von einem ca. 4 Meter hohen Holzkreuz überragt wird. Es handelt sich um eine stilisierte Christus-Darstellung, geschaffen von meinem Vater im Jahr der Neuanlage dieses Friedhofs (1964). Das Christus-Kreuz bzw. der Kreuz-Christus muss damals eine seiner ersten Arbeiten im öffentlichen Karlsruher Raum gewesen sein, da er die neue alte Karlsruher Werkstatt in der Haid-und-Neu-Straße 24 erst Anfang der 1960er Jahre nach Ablegung der Meisterprüfung (im Mai 1962) wieder eröffnen konnte. Es folgten viele weitere Arbeiten im öffentlichen Raum – in Holz, aber auch in Stein.

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Berthold Rumold: Christus-Kreuz, Holz, ca. 4 m hoch, Ehrenfeld auf dem Neureuter Hauptfriedhof, 1964

 

Porträt des Stadtgründers mit Hund

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B. Rumold neben seinem Porträt des Gründers der Stadt Carolsruhe mit Hund (Bundesgartenschau Karlsruhe 1967)

Die Legende will, dass die Gründung der Stadt Karlsruhe auf eine „traumatische“ Erfahrung des Markgrafen Carl Wilhelm von Baden-Durlach zurückgeht. Nach einer Jagd im Hardtwald soll ihm die Stadt (bzw. ein neues Schloss als deren perspektivischem Zentrum) zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Traum erschienen sein. Am 17. Juni 1715 ließ Carl Wilhelm dem Traum Taten folgen und legte den Grundstein für den Schlossturm. Der Rest ist de facto Stadtgeschichte, auch wenn sich Experten darüber streiten, ob diese Grundsteinlegung de jure als chronologischer Nullpunkt der Siedlungsgenese angenommen werden darf.

Bundesgartenschau 1967

B. Rumold mit J. Fischer und kirchlichem Würdenträger, 1967

B. Rumold mit J. Fischer und kirchlichem Würdenträger, 1967

Die Bundesgartenschau 1967 in Karlsruhe war nicht nur für die Stadt, sondern auch für meinen Vater und den Rest der Familie (ich war damals in meinem zwölften Lebensjahr) ein großes Ereignis. Nicht weit vom Karlsruher Schloss entfernt stand meinem Vater eine Art Freiluft-Werkstatt zur Verfügung, wo er einen lebensgroßen „Markgrafen“ (Gründer der Stadt Karlsruhe, ca. 1715) mit Stock und Hut und Hund aus einem Stamm schlug. Bis in die 1990er Jahre hinein stand der Markgraf ganz in der Nähe seiner „Geburtsstätte“ einsam im Wald.