In seine mystische Heimat vertrieben

B. Rumold: Bürstenbinder (um 1950)

B. Rumold: Bürstenbinder (um 1950)

Diese Darstellung eines Bürstenbinders (heute im Bürstenbindermuseum Ramberg) ist während der Lehre bei Karl Kinsler (Karlstr. 7, Karlsruhe – die Werkstatt existiert nicht mehr) entstanden.

Der von Karl Kinsler unterzeichnete Lehrbrief datiert vom 27. Mai 1952, der Gesellenbrief der Handwerkskammer vom 31. Mai 1952. Als mein Vater danach am Karlsruher Hauptfriedhof eine eigene Werkstatt eröffnete, verbot man ihm deren Betrieb, da die kurze Zeit der unter alliierter Besatzung geltenden allgemeinen Gewerbefreiheit mittlerweile vorüber war, so dass jeder Handwerker, der ohne Meisterprüfung selbständig arbeitete, als Schwarzarbeiter galt. Noch 2007 stand in einem deutschen Wirtschaftsmagazin der Satz: „Nirgendwo wird es Handwerkern so schwer gemacht, selbstständig zu arbeiten, wie in Deutschland.“ („Das Kartell“ in: brand eins. Wirtschaftsmagazin, Ausgabe 06/2007)

Für meinen Vater bedeutete diese Einschränkung seiner persönlichen Gewerbefreiheit allerdings ein unvorhergesehenes, schicksalhaftes Glück im (eigentlich vorhersehbaren) Unglück, war sie doch der Grund für seine Entscheidung, nach Oberammergau zu gehen, um an der dortigen Berufsfachschule den Meistertitel zu erwerben. Denn die Oberammergauer Zeit war, das hat er mir gegenüber einmal geäußert, die glücklichste Zeit seines Lebens. Nicht die Berge an sich, sondern eben gerade die Oberammergauer Berge habe er als heimatlich in einem geradezu mystischen Sinn erlebt.