Später Kreuzweg als visueller Schlussakkord

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Tonmodell (1990/91) eines geplanten Kreuzwegs für die katholische Kirche St. Martin in Karlsruhe-Rintheim.

Die Arbeit wurde nicht mehr ausgeführt. Ein Kreuzweg besteht in der Regel aus 14 räumlich linear angeordneten Einzeldarstellungen, die von den Gläubigen bzw. den Betrachtern nacheinander meditativ-rezeptiv abgegangen werden können. Das Zugleich des Bildes widerspricht bei der von meinem Vater Berthold Rumold gewählten Darstellungsvariante dem zeitlichen Nacheinander des unterstellten historischen Ablaufs. Die drehbuchartig narrativ unterscheidbaren Einzelszenen von der Festnahme bis zur Grablegung Christi werden als ein einziges Gesamtgeschehen in situativer Synopse zu einem einzigen Gesamtbild arrangiert. Dadurch fehlt aber der pseudo-fotografische Charakter der konventionellen Stationen-Bilder. An seine Stelle tritt das „Abbild“ eines komplexen Ereignisses höherer, symbolischer Ordnung, bei der die räumliche Gliederung einer zeitlichen Gliederung korrespondiert. Musikalisch gesprochen, hat man es nicht mit einer Tonfolge, sondern mit einem Akkord, nicht mit einer Melodie, sondern mit einem Cluster zu tun, wobei das wandernde Augen durchaus in der Lage ist, den inhärenten melodisch-linearen Charakter der bildkünstlerischen Komposition zu rekonstruieren.

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Detail, Jesu Festnahme und Verurteilung