Bonsoir tristesse – in den Anlagen von Schloss Linderhof

Oberammergau, 13.7.1957: „Christl, ja, schicke mir bitte das Fahrrad, ich wollte mich ja noch erkundigen, ob und wie es am besten zu senden ist. Gib es bitte vorher zur Reparatur, ich hoffe, Dir nächste Woche siebzig Mark schicken zu können. Es wäre doch schön, wenn ich als am Abend zum Schloß Linderhof fahren könnte. Ich war mit Josefs Rad schon zweimal dort und fand in den gepflegten Anlagen immer schöne Stunden der Erholung und die Fahrt durch die Täler ist für mich ein Genuß. Übrigens höre ich unter den Besuchern immer die pfälzische Landauer Mundart. Sicher sind es so Weinbäuerle. Dick und behäbig watscheln sie um das Lustschlößle und hören gelangweilt den Verslein der Reiseführer zu. Wie hätte wohl der König Ludwig den Kopf geschüttelt, wenn er den schwatzenden Lindwurm mit tausend Beinen und Dickköpfen in seinem für die Einsamkeit erbauten Lustschlößle gesehen hätte. Aber wenn abends sich alles verlaufen hat und man oben am Tempelchen sitzt und den ruhig grafiatätischen Schwänen um den vergoldeten Springbrunnen zuschaut und das Auge die kunstvoll angelegten Rasenanlagen auf und ab spazieren läßt, atmet das Ganze doch eine schöne Ruhe aus, und wenn das Wollen dieses letzten Bayernkönigs auch etwas weltfremd war, so wollte er doch dem Schönen im Leben ein Denkmal setzen und gerade weil er sich aus der Antike und dem vergangenen Barock die Anleitung stehlen mußte, breitet sich über das Ganze so eine eigene Melancholie. Da wirkt ein neues Dorfkirchlein unterwegs schon viel lebenssicherer. Beinahe hätte ich -naher geschrieben. Aber können wir urteilen, was lebensnaher ist, das Geldverdienen oder sich geben an das Schöne? Christus entschied sich ja einmal für Maria nicht für Marta. / Ach, Vorhang zu mit den Lebensbetrachtungen. Ich muß noch zwei Herrgöttlein schnitzen bis Montag früh.“

"Das Tempelchen ist mein Lieblingsplatz." Aufnahme: Berthold Rumold (1957)

„Das Tempelchen ist mein Lieblingsplatz.“ Aufnahme: Berthold Rumold (1957)

"Von ihm [vom Tempelchen] aus sieht man das Bild hier." Aufnahme: Berthold Rumold (1957)

„Von ihm [vom Tempelchen] aus sieht man das Bild hier.“ Aufnahme: Berthold Rumold (1957)