„Alles ist zerfahren und aufgelöst in den Formen“

Aus Oberammergau am 25.2.1962 an Christl Rumold: „In der Schule läuft es seinen normalen Gang. In der Werkstatt brachte Herr Lang aus Frankfurt gute Aufträge mit, doch leider waren unter den zwölf modernen Modellen ausgerechnet die zwei, auf die ich gebaut hatte, nicht gefragt. In meinen schulfreien Stunden arbeite ich gerade an zwei Bücherstützen, zwei Hirsche im Kampf. Ich lasse sie ziemlich im Eichenblock in einer Art, wie wir sie aus den Höhlen in Frankreich kennen. Außerdem habe ich drei Modelle für den Altar (es ist nur [ein] Seitenaltar als schützende Maria aber immerhin 3,50 Meter groß) nach Köln entworfen. […] Ich habe mit Herrn Huber über den Auftrag gesprochen. Er ist garnicht dafür, daß ich mich vom Meisterstück ablenken lasse, zumal das Meisterstück in seinem Geiste gehalten ist und der Altar auf einen schon vorhandenen Hauptaltar in einem ganz fremden Geist zwar modern aber doch aus einer fremden Welt gehalten werden muß. Es ist zeitgemäß, daß so viele Persönlichkeiten ihren individuellen Stil ausprägen wollen. Das will Herr Huber nicht. Er meint wir haben wieder eine vorromanische Zeit, alles ist zerfahren und aufgelöst in den Formen, wir müssen wieder zurück zu einer geschlossenen Masse. Diese Idee vertrete ich auch, aber um sie verwirklichen zu können, müßte man den Auftrag eines ganzen Gotteshauses haben und nicht eine Teilarbeit einer Kirche.“

Im selben Brief die Mitteilung, dass er im Kino gewesen sei und den Film „Eheinstitut Aurora“ gesehen habe. In der Kritik meines Vaters („gefiel mir sehr gut. Vor allem der Thompson wirkte überzeugend“) kam der Streifen besser weg als im Spiegel 6/1962, wo es hieß: „Allenfalls Elisabeth Flickenschildt in der Rolle der pseudo-adligen Ehevermittlerin leiht dem von Regisseur Wolfgang Schleif angemessen bieder gefertigten Sehstück aus eigenen Mitteln einen Anhauch von Realität.“

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B. Rumold: Kämpfende Hirsche, Eiche, 30 x 13 x 21 cm (1962)