Das Modell war das Original

B. Rumold: Heiliger Christopherus mit Jesuskind, Meisterstück 1962

B. Rumold: Heiliger Christopherus mit Jesuskind, Meisterstück 1962

Oberammergau, 6.5.1962: „Liebe Christl! Die Meisterprüfung habe ich gut mit drei ‚gut‘ überstanden. […] Am Donnerstag habe ich noch mit meinen Kameraden den Fichtenstamm geholt und in der Schule aufgestellt. Ich kann dir sagen, das ist ein Riese von einem Baum. Herr Huber ist ganz zufrieden, daß ich die Arbeit auch nach der Meisterprüfung ausführe. Ich muß jetzt noch sechs Wochen halbtags zu ihm, aber ich gehe sehr gerne zu ihm. Übrigens wegen Lothars stiller Freude [über einen mit Buntstiften geschriebenen Brief von ihm]; ich fuhr gestern Nachmittag mit meinen vier Kameraden, die auch die Prüfung bestanden hatten nach hier zurück und sah zu wie sie schreiend und lachend ihrer Freude Ausdruck gaben. Sie wollten mich auch „aufmuntern“ und ihr Benehmen war mir nicht zuwider, aber anstatt lauter wurde ich auch immer stiller, daß ich mich selbst darüber wunderte.“

Offenbar hatte die Prüfungskommissionen das Christopherus-Modell als Meisterstück akzeptiert, so dass die Ausführung des Brunnenstamms in der geplanten Höhe von knapp drei Metern im Hinblick auf die Prüfung nicht mehr erforderlich gewesen wäre, denn die hatte mein Vater ja bereits abgelegt und „gut mit drei ‚gut‘ überstanden“. Damit reiht sich der große Fichtenstamm (s. o.), der dreißig Jahre lang (1962-1992) vor der Werkstatt in Karlsruhe als Blickfang gedient hat, in die Schar der Pseudo-Meisterstücke ein, die mein Vater gewissermaßen in Serie produzierte, um potentiellen Kunden einen zusätzlichen Kaufanreiz zu bieten, während das eigentliche Meisterstück als vermeintliches „Modell“ relativ unbeachtet in irgendeiner Werkstattecke stand.