Schlagwort-Archiv: die Briefe

Berge, Schnee und Badehose

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Schwarz-Weiß-Foto ca. 6 x 5 cm

Brief aus Oberammergau vom 10.5.1959: „Meine liebe Christl! Es ist Sonntagmittag. Ein ganz sonniger Tag. Ich war schon in der Frühe um ½ 3 Uhr aufgestanden und mit Karl in die Berge gefahren. Wir hatten unsere Schis mitgenommen und wirklich auf dem Gipfel noch das Glück ein großes Schneefeld vorzufinden. Der Aufstieg […] war ja etwas anstrengend, aber es hatte sich gelohnt. Wir rutschten so vergnügt ein paar Stunden im Schnee herum mit Badehose und den Brettern und die Sonne knallte aus einem so tiefblauen Himmel also es war sehr schön. Allerdings schmerzen mich jetzt meine Schultern von dem Brettertragen.“

„Die Meisterprüfung wirft mich nach allen Richtungen“

Blick auf Oberammergau

Blick auf Oberammergau

Auf der Rückseite dieser Karte vom 12.2.1962 (aus Oberammergau) heißt es: „Liebe Christl! Es ist schwer zu sagen wie es mir geht. Die Meisterprüfung wirft mich nach allen Richtungen.“

Was das im Einzelnen hieß, stand schon in einem Brief vom 5.2.1962: „Bei mir ist zwar viel viel Arbeit aber fast alles in der Schule. Samstags ist ja in Garmisch der direkte Vorbereitungskurs, da brauche ich gerade den Sonntag um zum notwendigsten Geld für mich zu kommen. Zum Glück geht es mit den Entwürfen für die [Frankfurter] Messe am 1. März noch einigermaßen gut, aber alles im Geschäft drängt und unser angestellter Meister mit seinen konservativen Arbeiten schläft auch nicht und hat dazu alle Zeit. Na hoffentlich schlägt mein Zeugs gut ein. Ich könnte es brauchen. Was mir selbst am meisten bei dem modernen Stil gefällt ist die Ehrlichkeit gegen das gewachsene Stück Holz und das nur eingehen auf die Grundhaltung einer dargestellten Plastik. […] In Garmisch ist der Kurs sehr interessant. Die Lehrer sind noch sehr jung aber […] sehr intelligent. Die Meisterprüfung findet am 4. Mai in München statt. Hoffentlich komm ich durch.“

Zwischen Schule und Werkstatt

Brief an Ch. Rumold aus Oberammergau vom 2. Oktober 1961. „Ich höre gerne von meiner Barbara. Von ihr träume ich am meisten. Im Beruf geht es mir noch gut. Ich sollte mich teilen können, damit ich in der Schule und in der Werkstatt sein könnte. Die Schule stetzt halt vor jeder Schnitzarbeit eine geistige Auseinandersetzung voraus und ist ungemein anregend. Die Werkstatt hat natürlich ein anderes Klima, aber mein Chef läßt mich ungehindert entwerfen und frei arbeiten. Hoffentlich geht das noch lange so weiter.“

Mit Gruß von Florian Lang

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„[…] das ‚Signum‘ hat unser Florian als Gruß an dich geschrieben.“

Brief vom 5.6.1961: „Liebe Christl! Entschuldige bitte, daß ich so lange nichts von mir hören ließ aber ich war in der vergangenen Woche noch immer unschlüssig ob ich auf die Schnitzschule gehen solle, oder ohne sie den Anlauf auf die Meisterprüfung wagen könnte. Nun bin ich heute doch gegangen und nach der Unterhaltung mit dem Direktor finde ich das „Problem“ aus der Werkstatt zu gehen fast lächerlich, denn es hat mir gleich wieder in der Umgebung der Schule gefallen. Es stellte sich auch heraus, daß auf unserer Schule in Zukunft direkte Meistervorbereitungskurse abgehalten werden. Der erste beginnt am 15. September und geht bis vor die Prüfung im Frühjahr. Ich beginne also im September mit der Schule und bleibe noch so lange in der Werkstatt. […] Christl, das ‚Signum‘ [siehe Abb.] hat unser Florian [Lang] als Gruß an dich geschrieben.“

Dazu der Brief vom 18.9.1961.

Schulbeginn

Aus einem Brief an Ch. Rumold am 18.9.1961: „Jetzt bin ich schon acht Tage auf der Schule [für Holzbildhauerei, Oberammergau] und was den Beruf anbetrifft recht zufrieden. Der Lehrer führt mich sicher in der Arbeit und die saubere Atmosphäre bei ihm tut mir gut. […] Augenblicklich kann ich noch in der Firma [Lang sel. Erben] leicht Geld verdienen durch Entwürfe. Die Frankfurter Messe war erfolgreich mit meinen ‚Madonnen‘. Der Chef zahlt die Entwürfe jetzt auch wesentlich höher.“

Das Modell war das Original

B. Rumold: Heiliger Christopherus mit Jesuskind, Meisterstück 1962

B. Rumold: Heiliger Christopherus mit Jesuskind, Meisterstück 1962

Oberammergau, 6.5.1962: „Liebe Christl! Die Meisterprüfung habe ich gut mit drei ‚gut‘ überstanden. […] Am Donnerstag habe ich noch mit meinen Kameraden den Fichtenstamm geholt und in der Schule aufgestellt. Ich kann dir sagen, das ist ein Riese von einem Baum. Herr Huber ist ganz zufrieden, daß ich die Arbeit auch nach der Meisterprüfung ausführe. Ich muß jetzt noch sechs Wochen halbtags zu ihm, aber ich gehe sehr gerne zu ihm. Übrigens wegen Lothars stiller Freude [über einen mit Buntstiften geschriebenen Brief von ihm]; ich fuhr gestern Nachmittag mit meinen vier Kameraden, die auch die Prüfung bestanden hatten nach hier zurück und sah zu wie sie schreiend und lachend ihrer Freude Ausdruck gaben. Sie wollten mich auch „aufmuntern“ und ihr Benehmen war mir nicht zuwider, aber anstatt lauter wurde ich auch immer stiller, daß ich mich selbst darüber wunderte.“

Offenbar hatte die Prüfungskommissionen das Christopherus-Modell als Meisterstück akzeptiert, so dass die Ausführung des Brunnenstamms in der geplanten Höhe von knapp drei Metern im Hinblick auf die Prüfung nicht mehr erforderlich gewesen wäre, denn die hatte mein Vater ja bereits abgelegt und „gut mit drei ‚gut‘ überstanden“. Damit reiht sich der große Fichtenstamm (s. o.), der dreißig Jahre lang (1962-1992) vor der Werkstatt in Karlsruhe als Blickfang gedient hat, in die Schar der Pseudo-Meisterstücke ein, die mein Vater gewissermaßen in Serie produzierte, um potentiellen Kunden einen zusätzlichen Kaufanreiz zu bieten, während das eigentliche Meisterstück als vermeintliches „Modell“ relativ unbeachtet in irgendeiner Werkstattecke stand.

Der „wilde Hund“ für das Meisterstück

Im Brief vom 27. April 1962 geht es um den Stamm für das Meisterstück und um Prüfungsformalitäten. Offenbar war sein Vorschlag zunächst abgelehnt worden. Die Prüfungskommission war sich darin aber wohl nicht einig:

„Liebe Christl! gestern habe ich mit Herrn Huber und Herrn Lang den Stamm angeschaut. Herr Huber hat gleich einen Schrei losgelassen wie er den „wilden Hund“ ansichtig wurde. Aber es ist ein Baum nach meinem Herzen. […] Anschließend habe ich mit dem Holzbesitzer in Schwangau verhandelt. Er will für seine Wohnstube ein Kruzifix dafür. Das war für mich eine erfreuliche Gegenleistung, spart es mir doch gleich eine Menge Geld. Morgen hole ich mit einem Arbeitskollegen den Stamm. Ja, und die Prüfungskommission war auch da. Sie wußten nichts von der Ablehnung meines Antrags. Ausgerechnet der in Frage kommende Herr war nicht dabei. Sie haben sich dann groß überrascht gezeigt, daß diese Arbeit abgelehnt wurde. Eine Nachlieferung des Meisterstückst sagten sie nicht zu. Lieber soll ich das Modell mitnehmen und als Meisterstück vorlegen. Mir war das recht. Jetzt kaue ich halt fleißig das Theoretische durch und hoffe, daß ich einigermaßen durch komme.“

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Rückseite des Fotos: „Christopherusbrunnen, 2,80 m aus einem Stamm für Meisterprüfung“ (Bozetto)

 

Eine Karte aus Oberammergau

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Max Sommet: Oberammergau mit Passionstheater (Deutsche Heimkunst-Karte)

Man sieht auf dieser Gemälde-Karte nicht nur das Passionstheater, sondern vor allem auch die markante Form des Kofels, des Oberammergauer Hausbergs. Er schreibt: „Liebe Christl! Einen herzlichen Gruß an dich und die Kinder von deinem Berthold, Oag. 29.8.60“

Weihnachten 1956

brief_aEr schreibt am 22. Dezember 1956 aus Oberammergau über die Weihnachtsfeier der Firma Lang (bei der er als Schnitzer Arbeit gefunden hatte) am Abend zuvor:

„Es kamen nahezu fünfzig Leute zusammen. In der Abrechnung lagen zwanzig Mark Weihnachtszulage bei, da war natürlich gleich eine gute Stimmung unter uns. Am Abend zogen wir uns gut an und zottelten los in das festlich geschmückte Gasthaus, wo an den festlich geschmückten Tischen schon alles auf die bekannt gemütlich langsamen Herrgottschnitzer wartete. Es wurde zuerst gut gegessen, darauf der Baum ins Kerzenlicht gebracht und ein paar Weihnachtslieder gesungen. Jeder bekam eine Flasche Wein, Zigaretten und einen Gutschein zum freien Biertrinken für den Abend.“

Aus demselben Brief geht hervor, dass seine Frau (und meine Mutter) am Jahresende für vier Tage zu Besuch nach Oberammergau kommen sollte. Etwa mit mir fünfzehneinhalb Monate „altem“ Wurm im Gepäck?

Kruzifixus Langensteinbach

Berthold Rumold: Kruzifixus an einer Gedenkstätte in Langensteinbach bei Karlsruhe

Oberammergau, 29.5.1959 (an Christel Rumold): „Das mit dem Grünewaldkreuz in Bulach ist mir auch eine so unangenehme Sache. Wenn ich optimistisch gelaunt bin, gefällt es mir ganz gut, wie ich aber etwas objektiv kritisch die Arbeit betrachte, fürchte ich, mich eher zu blamieren damit als etwas dafür zu bekommen und am liebsten wäre es mir, ich hätte es gleich zusammensägen lassen, dann würde es mir nicht im Kopfe herum spuken.“

Oberammergau, 8.7.1959 (an Christel Rumold): „Tante Braun hat mir auch geschrieben wegen der Kreuze. Sie ist ja rührend besorgt um mich. Wenn sie an dem Kruzifix das Dach anbauen läßt, kann sie es meinetwegen in Langensteinbach aufstellen lassen. Wenn er den Leuten dort gefällt, soll es mir recht sein. Hier wäre es mir doch nicht ganz wohl gewesen dazu sind bei uns viel zu gute Fachkräfte.“