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Porträtfoto 1989
Prolog (bei den Adventisten)
Wo ein Vater war, gab es notwendigerweise auch eine Mutter. Patrolog und Matrolog sind demnach in Teilen kaum voneinander zu unterscheiden. Und das gemeinsame, die Paarbeziehung ursprünglich stiftende Dritte ist hier mit im Bilde: die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten. Berthold Rumold stand zu dieser Zeit am Beginn seiner Holzbildhauerlehre bei Karl Kinsler.
Umsichgreifende Herkunftsunsicherheit
2014 erschien Peter Sloterdijks „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“. Das Buch thematisiert unsere zunehmende Unfähigkeit und Unwilligkeit, kulturelle Erben zu sein. Ausgehend von Europa und den USA breite sich eine globale „Herkunftsunsicherheit – nenne sie Enterbung, Bastardentum oder Hybrid-Identität“ (so der Klappentext) aus. Väter, die Söhne nicht annehmen, und Söhne die sich für vaterlos erklären oder es tatsächlich sind.
„Du kennst die Anfänge nicht, die Enden sind dunkel, irgendwo dazwischen hat man dich ausgesetzt. In der Welt sein heißt im unklaren sein. Am besten ist es, man hält sich an den Schein des Sich-Auskennens in der näheren Umgebung, die man seit einer Weile die „Lebenswelt“ nennt. Verzichtest du auf weitere Fragen, bist du vorläufig in Sicherheit.“
(Peter Sloterdijk: Die schrecklichen Kinder der Neuzeit, S. 9 f.)
In den Bergen
Brief aus Oberammergau vom 27.10.1958: „Ich war aber gestern bei dem schönen Wetter mit Karl unterwegs am Berg. Es war ja wunderschön, denn unter uns lag ein Nebelmeer weit ins Land hinaus.“
Ansichtskarte aus Oberammergau 1960
Fastnacht in Oberammergau
Die Masken hatten sie sich selbst geschnitzt, die sieben Holzschnitzer in Oberammergau, unter ihnen Berthold Rumold. Dass die Aufnahme in einer Schnitzwerkstatt (der Fa. Lang) entstanden ist, lassen die rechts im Bild sichtbaren Schnitzeisen vermuten. Wann das Foto gemacht wurde, ist nicht mehr genau feststellbar, doch dürfte es sich hier um die in einem Brief vom 12.11.1960 erwähnte „gemütliche Ecke“ handeln – „mit Hirschgeweih und rohen Stühlen und Tisch“.
„Die Meisterprüfung wirft mich nach allen Richtungen“
Auf der Rückseite dieser Karte vom 12.2.1962 (aus Oberammergau) heißt es: „Liebe Christl! Es ist schwer zu sagen wie es mir geht. Die Meisterprüfung wirft mich nach allen Richtungen.“
Was das im Einzelnen hieß, stand schon in einem Brief vom 5.2.1962: „Bei mir ist zwar viel viel Arbeit aber fast alles in der Schule. Samstags ist ja in Garmisch der direkte Vorbereitungskurs, da brauche ich gerade den Sonntag um zum notwendigsten Geld für mich zu kommen. Zum Glück geht es mit den Entwürfen für die [Frankfurter] Messe am 1. März noch einigermaßen gut, aber alles im Geschäft drängt und unser angestellter Meister mit seinen konservativen Arbeiten schläft auch nicht und hat dazu alle Zeit. Na hoffentlich schlägt mein Zeugs gut ein. Ich könnte es brauchen. Was mir selbst am meisten bei dem modernen Stil gefällt ist die Ehrlichkeit gegen das gewachsene Stück Holz und das nur eingehen auf die Grundhaltung einer dargestellten Plastik. […] In Garmisch ist der Kurs sehr interessant. Die Lehrer sind noch sehr jung aber […] sehr intelligent. Die Meisterprüfung findet am 4. Mai in München statt. Hoffentlich komm ich durch.“
An Berthold Rumold, Oberammergau, Kleppergasse 10
In der Zeit als mein Vater in Oberammergau lebte, verbrachten meine (damals Kleine) Schwester und ich mit der Oma jeden Sommer ein paar Wochen bei den Verwandten in Wälde in der Nähe von Freudenstadt. Dort gehörte es zu unseren festen Gewohnheiten, von der Brücke des Baches aus „Briefe an den Papa“ ins Wasser zu werfen. Dass der Heimbach in die Glatt, die Glatt in den Neckar, der Neckar in den Rhein und dieser in die Nordsee mündete und zuvor keiner der Bäche und Flüsse an Oberammergau vorbei floss, wussten wir nicht. Allenfalls ahnten wir es, aber dessen ungeachtet war es uns durchaus ernst mit unserem Dem-Vater-einen-Brief-schicken-Spiel. Der oben abgebildete Brief muss allerdings von einem anderen Ort aus und auf anderem Wege nach Oberammergau (und wieder zurück) gelangt sein.
Prüfungszeugnis vom 5. Mai 1962