Schlagwort-Archive: Kino

Kino, Kino und aufdringliche und englische Mädels

Oberammergau, 2.8.1959, an Ch. Rumold: „Schatz, so ziehen halt die Tage dahin. Ich bin gesund, mal guten, mal schlechten Mutes. Gestern Abend sah ich den Film ‚Wild ist der Wind‚, mit Magnani und einem großartigen Partner, Quinn heißt der Mann. Der Film war so lebensecht, daß er trotz der Magnani Dir sicher auch gefallen hätte. Heute oder morgen sehe ich mir ‚Mit dem Kopf durch die Wand‘ an.“

Oberammergau, 14.8.1959, an Ch. Rumold: „Ja, Christl, die Filme! Das war schön damals in dem Flohkino im Weiherfeld, als wir alles um uns nicht mehr spürten nur noch uns. ‚Mit dem Kopf durch die Wand‚ war köstlich amüsant. Der Lerneifer gemischt mit der Liebe war mir so aus dem Herzen gespielt. Der Tanzabend, der wippende Fuß von ihm, dann das kurze Hoppsagedrehe und gleich übergehen zu einem zarten Liebkosen zur Musik. Christl, Schatz, Du müßtest unbedingt tanzen können. Ja, und die Charaktere der Erzieher oder besser Fürsorger. / Gefährlich ist es nur jetzt manchmal gewesen, weil so viele Engländer(innen) im Ort sind, die sich durchaus nicht in englischer Zurückgezogenheit benehmen, aber doch nicht das aufdringliche Benehmen unserer Mädels haben. Ich bin da manchmal versucht zu sehen, ob sie so lieb sein können wie die Kleine im Film. Sie sind übrigens alle so schlank gewachsen.“

Der Samstagsfilm

Oberammergau, 17.1.1959, an Ch. Rumold: „Heute Abend war ich mal wieder in meinem Samstagsfilm: ‚Mädchen in Uniform‚. Ich habe ihn skeptisch betrachtet und kam über ein Beobachten der einzelnen Rollen nicht hinaus. Am schönsten war eine Voranzeige ‚Feuerwerk‚. Ach, wie gerne würde ich ihn nochmals mit Dir sehen. Wie die beiden jungen Menschen im Treibhaus standen und der junge Gärtner das Lied sang: ‚Zum ersten Mal verliebt, ja daß es so was gibt, die Nacht ist wie ein Traum …‘ Da gefiel mir die Romy sehr gut. Aber die Lieder von Lilly Palmer standen ihr nicht nach. Ganz anders der Hauptfilm. Na, vielleicht unterhalten wir uns einmal darüber. Es ist ja nicht so wichtig.“

Eine Anmerkung zur Ethik des Films

Oberammergau, 1.11.1958, an Ch. Rumold: „Ich hätte noch gerne erzählt von gesehenen Filmen, zum Beispiel ‚und nichts als die Wahrheit‘ und anderen. Der O. W. Fischer hat für mich so großartig ehrlich dargestellt. Es war sehr schön, weil so vieles nur angedeutet wurde und somit von dem Autoren das Grundrecht des Menschen, seine intimen individuellen Handlungen aus der Persönlichkeit vor der Masse (auch der Masse Kinobesucher) nicht breitzutreten, bewahrt wurde. Wie zart und schön wurde doch die Liebe der Frau zu ihrem Mann, des Vaters zu seiner Tochter (wie gentlemanmäßig half doch der Vater der Tochter aus der Antwortenmüssen-Verlegenheit vor dem Bräutigam nach ihrer Rückkehr aus Frankfurt), des Freundes zum Freund und der Liebe der Schwester zum Angeklagten gezeigt.“

Krieg und Frieden und Chorgesang

Oberammergau, 19.10.1958, an Ch. Rumold: „Trotz all der Arbeit war ich vorgestern im Kino. ‚Krieg und Frieden‚. Der große Film ist ein ähnlicher Gedankengang wie unser Buch ‚Die Versöhnung‘. Die Männerrollen gefielen mir sehr gut, wenn auch der Hauptdarsteller [Henry Fonda], die Dichterperson in seiner ruhigen Sicherheit, die durch Aussprüche, er sei unsicher, nur noch untermauert wurden, fast an Überheblichkeit grenzte. Aber ich halte es für möglich, daß die Gestalt im Buche wesentlich von der Vorstellung des Filmregiseurs abweicht. Wenn allerdings amerikanische Filmsternchen [Audrey Hepburn!] an europäische Frauenrollen mit Schicksalen wie bei einer Königin Luise herangehen, geht es meistens schief. Aber im Augenblick, da man das Kino verläßt, ist man gut beeindruckt. Mir ging es mal so. Und gestern Abend war ich in einem Chorkonzert unseres Jugendchors. Sehr gut gefiel mir das Lied: ‚Ein neu Gebot‘, Motette von Bütger. Dann Lieder mit Vertonungen von Friedrich Zipp, Carl Orff, Bela Bartok und der ‚Feuerreiter‘ von Hugo Distler. Schatz, kennst Du einige Namen davon? Ach, ich wollte Dich heute nicht mit Namen beschweren.“

Heiligabend mit Joseph

"Oberammergau, 20.12.1956 - Meine liebe Christl! Lieber Lothar! Die herzlichsten Grüße und Küsse sendet Euch zum diesjährigen Weihnachtsfest Euer Papa!"

„Oberammergau, 20.12.1956 – Meine liebe Christl! Lieber Lothar! Die herzlichsten Grüße und Küsse sendet Euch zum diesjährigen Weihnachtsfest – Euer Papa!“

Oberammergau, 25.12.1956, an Ch. Rumold: „Du mußt mir noch genau schreiben, wann du kommst, damit ich dich abholen kann. Es kann sein, daß du von Murnau aus mit dem Bus fährst, denn nicht alle Züge fahren durch bis nach Oberammergau. […] Das Land ist jetzt ganz weich in Schnee getaucht, vielleicht können wir an Sylvester in Garmisch einem Schispringen zusehen. Es wäre ja schön, könnten wir in einem Hotel oder Gasthaus ein Zimmer nehmen, aber die sind ja so unverschämt teuer. Eine Nacht kommt da mindestens auf zehn bis fünfzehn Mark. Na, beim Joseph werden wir auch gut aufgehoben sein. […] Gestern am heiligen Abend war ich mit Joseph den Tag über in der Werkstatt und als er um sechs weg ging, mußte ich auch bald das Schnitzeisen aus der Hand legen. Es hat wirklich alles seine Grenzen. Nun, ich machte es mir auf zwei Stühlen bequem und lauschte auf die Weihnachtsmusik, auf mein Inneres, und überstand den Abend doch so leidlich gut bis es Zeit war zum Schlafengehen. Heute schnitzte ich den ganzen Tag an einem Christuskopf, aber gegen fünf Uhr war mir doch der Arbeitsgeist ausgegangen und ich ging seit langem wieder mal ins Kino. ‚Santa Lucia‘ mit dem dicken Torriani wurde gegeben. Am Anfang mußte ich mich fast überwinden, wenn das fette Gesicht in Großaufnahme kam aber dann hatte man sich an ihn gewöhnt und er sang auch recht gut.“

Das Café im Haus der Kunst!

Oberammergau, 23.8.1959: „Meine liebe Christl! Nach deinen letzten Briefworten kam es mir vor, als hätte mein letzter Brief den Eindruck erweckt, daß ich hier nur so umher flirte. Ich bin ja kein Vorbild an sittlicher Reinheit, aber beim Tanzen war ich diesen Sommer nur einmal und da hatte ich von der verzierten Frohtuerei der Rheinländer bald genug, und die sechs Mark für den Sauerampfer von Wein liegen mir heute noch im Magen. Nein, wie ich mir das Tanzen vorstelle, so sehe ich es nur ab und zu im Kino und dann denkt oder träumt man sich manchmal hinein: So müßte es schön sein. […] Gestern war ich in München und habe eine Ausstellung von einem Bildhauer besucht, der mir schon lange in seiner Art gefällt. Es ist der Barlach. Ja und weil ich mal wieder in der Stadt war und so schönes Wetter war und alles war so gut gekleidet, habe ich natürlich auch viel Geld ausgegeben im Gartencafé vom ‚Haus der Kunst‘. So ein schönes Café ähnlich wie das in Karlsruhe im Stadtgarten und die tadellos angezogenen Leute, also ich schwärme heute noch von der Atmosphäre die dort herrschte.“

Ein freudscher Verschreiber?

Oberammergau, 31.10.1959, an Ch. Rumold: „Es ist jetzt Samstagabend. Mit meiner Arbeit bin ich nicht so weit gekommen wie ich wollte, aber das ist nicht schlimm. Im Gegenteil, es erzeugt eine leichte Spannung, die mir oft am nächsten Tage beim Arbeiten hilft. Wahrscheinlich gehe ich sogar noch ins Kino heute, obwohl das immer so eine Sache ist mit dem ‚Mal was anderes sehen‘. Ist es nämlich ein schlechter Film, sage ich hinterher, daß ich diese Zeit besser mit etwas Nützlichem hätte verbringen können und wäre es das Schlafen im Bette gewesen. Ist es aber ein guter Film, dann paßt es mir noch weniger, weil ich ihn ohne dich sehen mußte. Den Film ‚Und der Rest ist Schweigen‘ habe ich mir angesehen. Er gefiel mit sehr gut. Ganz groß war eine kleine Szene darin. Als der junge Mann seinem Freund, dem Ballettmeister, die Idee seines Ballettes erklärt hatte, ging er doch auf das Mädchen, das im Sessel zuhörte, zu und setzte oder legte oder schmiegte sich an ihre Füße. Diese wenigen Bewegungen waren doch vollkommenster Ausdruckstanz. Leider konnte mich Hardy Krüger nicht ganz davon überzeugen, daß er unter einer übergroßen Macht den Mord an seinem Vater unbedingt aufklären mußte. Er erweckte in mir immer wieder den Eindruck, daß er selbst sein Handeln gestaltet. Ein Film, den ich acht Tage später sah, zeigte das erst richtig. Er hieß: ‚Besuch aus dem Jenseits‘. Ein grausamer Titel für einen großen Film. Da hatte auch ein junger Mann einen Mord aufzuklären. Er sagte in seiner Rolle nicht einmal etwas von einem Zwang, der ihn trieb, aber er spielte das zwingend heraus.“

Freudianer hätten an diesem Brief ihre ödipale Freude. In dem Satz „Leider konnte mich Hardy Krüger nicht ganz davon überzeugen, daß er unter einer übergroßen Macht den Mord an seinem Vater unbedingt aufklären mußte“ hatte es zunächst „ausführen“ statt „aufklären“ geheißen.

Nichts als Arbeit, Zeichenschule, Kino und Passionsspiele

Oberammergau, 23.10.1959, an Ch. Rumold: „Meine liebe Christl! Es ist wieder Freitag geworden. Diese Woche war für mich recht lebhaft. Aber was war’s eigentlich? Arbeit und Zeichenschule und Kino.“

Oberammergau, 26.10.1959, an Ch. Rumold: „Meine liebe Christl! Ich habe mich sehr über deinen Brief gefreut. Ach, ich möchte als naus wo kein Loch ist so nervös macht mich das Alleinesein. […] Ich habe in der Schule das Zeichnen und Modellieren angefangen. Zuerst nur zwei Abendkurse mit unseren Lehrlingen. Das ging halt nicht lange so; ein bissel gelobt wurde ich von meinen Lehrern und schon meine ich, daß ich an zwei Tagen bei ihnen sein muß. Es macht mir aber auch mehr als nur Freude, daß mich die beiden Männer so packten.“

Oberammergau, 17.5.1960 (Postkarte), an Ch. Rumold: „Viele liebste Grüße für dich und unsere Kinder sende ich aus dem hiesigen Durcheinander. Das Geschäft steht mit dem ganzen Dorf auf dem Kopf, daß man nicht mehr weiß, was vorne und hinten ist.  Am Samstag habe ich mir das Passionsspiel angesehen. Es ist in seinem Aufbau der Inszenierung überraschend gut. Und sonst ist es halt nett, meine Kumpels herumhüpfen zu sehen.“

Keine Lust auf die Buddenbrooks

Aus einem Brief an Ch. Rumold aus Oberammergau am 27.2.1960: „Es ist schönes Wetter, ja schon ein Hauch von Frühling in der Luft. Wenn es morgen am Sonntag so ist, gehe ich am Nachmittag über den Berg. Sonst bin ich zufrieden im Geschäft mit der Arbeit und in der Schule. Den Film ‚Die Buddenbrooks‘ habe ich mir nicht angesehen. Es liefen beide Teile bei uns. Ich habe ein Vorurteil gegen das Milieu des gehobenen Bürgerstandes mit der Liselotte Pulver und Nadja Tiller. Es wäre vielleicht interessant gewesen, aber ich hatte halt keine Lust am letzten Sonntag. Christl, ich höre jetzt auf zu schreiben. Vielleicht arbeite ich noch ein bissel, es täte mir gut in der nächsten Woche.“

Jetzt hoffen wir halt, dass es mit mir einmal besser wird

Aus einem Brief an Ch. Rumold – Oberammergau, 9.1.1961: „Den Mantel, den ich für dich machen ließ, habe ich schon drei Wochen in meinem Schrank hängen. Er war eine grausige Enttäuschung in Farbe und Schnitt. Ich hatte ein zartes Weinrot ausgesucht. Es ist ein grausiges Grau geworden. Der Schnitt ist ja einfach, aber der Kragen so eckig und unweiblich, nicht ein bissel modern gefällig – und dafür muß ich noch 150 Mark zahlen. So schlaue Sachen mache ich am laufenden Band. Wenn ich wenigstens daraus lernen würde; aber da habe ich wenig Hoffnung. Sonst bin ich wenigstens gesund, ich gehe gerne mit meinen Schi einen Berg hinauf und puste mich dabei gründlich aus und fahre dann einen gemütlichen Weg hintenrum herunter. Das Wetter ist heut‘ Morgen immer ein bissel unter und etwas über dem Gefrierpunkt. Schneien tut es oft. Zum Schilaufen ist das recht schön. Wenn ich es nur ein bissel besser könnte, nur zu oft muß ich im Hochwald vor einem Baum die Notbremse ziehen, d.h. mich grad auf den Hintern setzen, bevor ich in einen Baum sause. Aber es geht doch von mal zu mal besser und schön ist es immer in der verschneiten Stille, wenn nur das Wild in gemessenem Abstand an einem vorbeizieht, oder verhoffend von oben herab auf einen lugt. Gestern bekam ich fast Angst vor einem großen Hirsch, der nicht aus dem Weg ging (ich kam gegen den Wind ganz still herangeschlittert er sah mich nicht beim Äßen und hörte nichts). – Am Abend sah ich O. W. Fischer in ‚Scheidungsgrund Liebe‘. Er hat sich da ein bissel arg in Szene gestellt und überflüssige „Boulevard-Milieus“ waren auch genug drin. Schade, es war so nett, wie er den Köder selbst bezahlen mußte (ein Fisch) mit dem er ‚geangelt‘ wurde. Christl, Schatz, jetzt hoffen wir halt, daß es mit mir einmal besser wird.“