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Skizze zu einer Körper-Biografie

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Berthold Rumold mit ca. 30 Jahren in den Ammergauer Bergen

Mein Vater war ein gutaussehnder Mann. Als Junge erkannte ich in ihm Old Shatterhand alias Lex Barker wieder. Was war dagegen schon der Alain-Delon-Vater meines besten Freundes, zumal jener diesen regelmäßig schlug. Ein gutaussehnder Mann mit einem leichten Buckel, den ich schon als Siebenjähriger wahrnahm, da mir auffiel, dass mein Vater bei Tisch keineswegs so vorbildlich gerade saß, wie man es von mir verlangte. Kein Hühne, aber groß, blond und blauäugig genug – von Frauen durchaus umschwärmt bis in seine Fünfziger hinein. Bildhauer wird man nicht zuletzt aus körperlichen Gründen: aus erotischer Liebe zum Plastischen und weil man sich gerne muskulär verausgabt. Noch die angeborene Rückgratverkrümmung schien zu seiner Holzbildhauerei zu passen, da beim Schnitzen nicht selten eine leicht gekrümmte Haltung einzunehmen ist. Ludwig Marcuse sieht im Körper „den großen Vergessenen, der uns herumschleppt“ (Philosophie des Un-Glücks). Nun, bis in seine dreißiger Jahre hinein war mein Vater durchaus nicht somavergessen: er kletterte in den Bergen rund um Oberammergau, fuhr Ski und liebte es, an einem Bach in der Sonne zu liegen; hatte er die Möglichkeit dazu, schwamm er im Rhein. Und das, was er in einem Brief einmal „das gewisse Etwas“ genannt hat, kam zwar (mindestens) bis 1962 mehr als nur etwas zu kurz, dies aber nur aus Mangel an Gelegenheit und nicht aus Mangel an Interesse.

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Von links nach rechts: Berthold Rumold, Georg Rumold (der eine Großvater) oder Friedrich Ott (der andere Großvater), Klara Rumold (die Mutter), Änne Rumold (eine Schwester); 1934 im Gartenhaus, Sieglindenstr. 9, Ludwigshafen

Was macht einer, der gerne klettert und im Schnee herumrutscht, wenn ihn das selbst gewählte Schicksal nach Karlsruhe zurück verschlägt? Aus den Bergtouren alleine oder mit einem Kumpel wurden Spaziergänge mit der Familie, Rad- und Wandertouren mit der Tochter. Ansonsten war der Körper Bestandteil des Arbeitsprozesses und ging, als deren unabdingbare Voraussetzung, ein in die Holz- und Steinbildwerke, die er schuf. Den Werken tat das gut, den Knochen, Muskeln, Sehnen und Venen nicht nur. Der krumme Rücken wurde immer krummer. War es auch ein körperliches Sich-am-Ende-Fühlen, das meinen Vater schließlich veranlasste, einem Bekannten gegenüber zu äußern, er habe mit dem Leben abgeschlossen? Oder war es am Ende noch einmal jenes von weither kommende, existenzielle Es-geht-nicht-Mehr, das er mir vererbt zu haben glaubte, wie er im Brief vom 8.2.1958 schrieb: „Ist unser [damals zweieinhalb Jahre alter] Lothar wieder gesund? Es ist mir sehr nachgegangen, daß er sagte, es ginge nicht mehr. Das ist ein Stück Wesen von seinem Papa.“

Im Relief verewigt: ab 1952 ein Paar

1952 war vermutlich das Jahr, in dem mein Vater und meine damals 17jährige Mutter (das Ch. B. im unten abgebildeten Relief steht für Christel Burst) sich ernsthaft ineinander verliebt haben. Jedenfalls muss am Fastnachtsdienstag 1952 eine wichtige Etappe auf dem Weg zur dauerhaften Zweisamkeit erreicht worden sein – woran sich mein Vater in einem Brief aus Aalen im darauffolgenden Jahr erinnert: „Weißt noch? Heut ist Rosenmontag und morgen Dienstag, Fastnachtsdienstag. Ach könnte ich um zwölf Uhr doch die Zeit ein Jahr zurückdrehen. Gell, die Fastnachtsküchle auf dem Tisch haben uns damals gar nicht besonderes interessiert. Dein Nahesein schaltete das alles aus. Ja und dann hattest du dich sogar noch erkältet auf der kalten Erde an unserem Abhang. Aber es war so schön nach dem langen Winter wieder den lieben Weg zu gehen. Den Kerl, der uns beim Runtergehen im Dorf belästigen wollte, wurden wir ja glücklich los.“ (Brief an Ch. Burst am 16.2.1953 aus Aalen)

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Berthold Rumold: Reliefs (ehemals Türfüllungen an einem Wäscheschrank), je 95 x 41 cm

 

In den Bergen

Brief aus Oberammergau vom 27.10.1958: „Ich war aber gestern bei dem schönen Wetter mit Karl unterwegs am Berg. Es war ja wunderschön, denn unter uns lag ein Nebelmeer weit ins Land hinaus.“

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Kein „film still“ aus einem deutschen Heimatfilm, sondern Berthold Rumold (rechts) und Karl in den Oberammergauer Bergen.

Porträt des Stadtgründers mit Hund

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B. Rumold neben seinem Porträt des Gründers der Stadt Carolsruhe mit Hund (Bundesgartenschau Karlsruhe 1967)

Die Legende will, dass die Gründung der Stadt Karlsruhe auf eine „traumatische“ Erfahrung des Markgrafen Carl Wilhelm von Baden-Durlach zurückgeht. Nach einer Jagd im Hardtwald soll ihm die Stadt (bzw. ein neues Schloss als deren perspektivischem Zentrum) zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Traum erschienen sein. Am 17. Juni 1715 ließ Carl Wilhelm dem Traum Taten folgen und legte den Grundstein für den Schlossturm. Der Rest ist de facto Stadtgeschichte, auch wenn sich Experten darüber streiten, ob diese Grundsteinlegung de jure als chronologischer Nullpunkt der Siedlungsgenese angenommen werden darf.

Bundesgartenschau 1967

B. Rumold mit J. Fischer und kirchlichem Würdenträger, 1967

B. Rumold mit J. Fischer und kirchlichem Würdenträger, 1967

Die Bundesgartenschau 1967 in Karlsruhe war nicht nur für die Stadt, sondern auch für meinen Vater und den Rest der Familie (ich war damals in meinem zwölften Lebensjahr) ein großes Ereignis. Nicht weit vom Karlsruher Schloss entfernt stand meinem Vater eine Art Freiluft-Werkstatt zur Verfügung, wo er einen lebensgroßen „Markgrafen“ (Gründer der Stadt Karlsruhe, ca. 1715) mit Stock und Hut und Hund aus einem Stamm schlug. Bis in die 1990er Jahre hinein stand der Markgraf ganz in der Nähe seiner „Geburtsstätte“ einsam im Wald.