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Hü oder hott? München oder …?

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Ohne Marke sieht man den Stempel besser.

Brief an Ch. Rumold aus Oberammergau am 6.2.1961: „Liebe Christl! Ich möchte dir wenigstens eine Kleinigkeit an Geld schicken. Wenn mir meine Kameraden am Donnerstag (der heißt hier der ‚Unsinnige‘ und es geht dementsprechend zu) keinen Strich durch die Rechnung machen, werde ich endlich meine lokalen Schulden los. Sind die Kinder wieder gesund? Ich hoffe sehr darum. – Sonst habe ich noch gute Arbeit und gehe gerne zum Schifahren. Heute ist allerdings das Wetter so mild, fast wie ein Fastnachtswetter. Ja, wenn ich mal vom Wetter anfange, ist es mit dem Erzählen nicht mehr weit her. Christl, ich sende dir und den Kindern meine herzlichsten Grüße. Dein Berthold.“

Anfang 1961, nach mehr als vier Jahren Oberammergau, hatte mein Vater vor, sich in München auf die Meisterprüfung vorzubereiten, um dann noch im selben Jahr die Prüfung abzulegen. Am 31.1.1961 schreibt er: „Christl, in München war ich nicht, ich habe telefoniert, weil ich halt doch die Zeit und das Geld scheute. Ich konnte die Meisterschule erreichen. Sie hat Sommer und Wintersemester. Ein Sommersemester kostet 70,- ein Wintersemester 130,- Mark. Die Ausbildung ist weitgehend individuell. Nun, ich will im diesjährigen Sommersemester am 15. April beginnen.“ Doch schon vier Wochen später diese Nachricht: „Liebe Christl! Ich war vergangene Woche in München. Die Meisterschule war wirklich, wie du schon vorausgesehen hast, eine Ent-Täuschung. Ich wüßte nicht wie ich sowas bewältigen sollte.“ Daraufhin kam es zwischen den Eheleuten offenbar zum Eklat, denn eine knappe Woche später schreibt er kurz und (scheinbar) entschlossen: „Liebe Christl! Ich bitte dich um Verzeihung! Nimm sofort die Laufmaschen wieder an. Ich gehe am 1. April nach München auf die Meisterschule und versuche, ob ich im Herbst die Prüfung bestehe. Berthold!“

Warum es mit München dann doch nichts wurde, ist den Briefen nicht zu entnehmen. Tatsächlich war die Situation äußerst schwierig. In München die Meisterschule besuchen und in Oberammergau Geld verdienen – wie sollte das vonstatten gehen?! Doch der Juni brachte die Lösung in Form eines Kurses vor Ort. Am 5.6. schreibt er: „Es stellte sich auch heraus, daß auf unserer [Oberammergauer] Schule in Zukunft direkte Meistervorbereitungskurse abgehalten werden. Der erste beginnt am 15. September und geht bis vor die Prüfung im Frühjahr. Ich beginne also im September mit der Schule und bleibe noch so lange in der Werkstatt.“

Jetzt hoffen wir halt, dass es mit mir einmal besser wird

Aus einem Brief an Ch. Rumold – Oberammergau, 9.1.1961: „Den Mantel, den ich für dich machen ließ, habe ich schon drei Wochen in meinem Schrank hängen. Er war eine grausige Enttäuschung in Farbe und Schnitt. Ich hatte ein zartes Weinrot ausgesucht. Es ist ein grausiges Grau geworden. Der Schnitt ist ja einfach, aber der Kragen so eckig und unweiblich, nicht ein bissel modern gefällig – und dafür muß ich noch 150 Mark zahlen. So schlaue Sachen mache ich am laufenden Band. Wenn ich wenigstens daraus lernen würde; aber da habe ich wenig Hoffnung. Sonst bin ich wenigstens gesund, ich gehe gerne mit meinen Schi einen Berg hinauf und puste mich dabei gründlich aus und fahre dann einen gemütlichen Weg hintenrum herunter. Das Wetter ist heut‘ Morgen immer ein bissel unter und etwas über dem Gefrierpunkt. Schneien tut es oft. Zum Schilaufen ist das recht schön. Wenn ich es nur ein bissel besser könnte, nur zu oft muß ich im Hochwald vor einem Baum die Notbremse ziehen, d.h. mich grad auf den Hintern setzen, bevor ich in einen Baum sause. Aber es geht doch von mal zu mal besser und schön ist es immer in der verschneiten Stille, wenn nur das Wild in gemessenem Abstand an einem vorbeizieht, oder verhoffend von oben herab auf einen lugt. Gestern bekam ich fast Angst vor einem großen Hirsch, der nicht aus dem Weg ging (ich kam gegen den Wind ganz still herangeschlittert er sah mich nicht beim Äßen und hörte nichts). – Am Abend sah ich O. W. Fischer in ‚Scheidungsgrund Liebe‘. Er hat sich da ein bissel arg in Szene gestellt und überflüssige „Boulevard-Milieus“ waren auch genug drin. Schade, es war so nett, wie er den Köder selbst bezahlen mußte (ein Fisch) mit dem er ‚geangelt‘ wurde. Christl, Schatz, jetzt hoffen wir halt, daß es mit mir einmal besser wird.“

Zwischen Schule und Werkstatt

Brief an Ch. Rumold aus Oberammergau vom 2. Oktober 1961. „Ich höre gerne von meiner Barbara. Von ihr träume ich am meisten. Im Beruf geht es mir noch gut. Ich sollte mich teilen können, damit ich in der Schule und in der Werkstatt sein könnte. Die Schule stetzt halt vor jeder Schnitzarbeit eine geistige Auseinandersetzung voraus und ist ungemein anregend. Die Werkstatt hat natürlich ein anderes Klima, aber mein Chef läßt mich ungehindert entwerfen und frei arbeiten. Hoffentlich geht das noch lange so weiter.“

Mit Gruß von Florian Lang

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„[…] das ‚Signum‘ hat unser Florian als Gruß an dich geschrieben.“

Brief vom 5.6.1961: „Liebe Christl! Entschuldige bitte, daß ich so lange nichts von mir hören ließ aber ich war in der vergangenen Woche noch immer unschlüssig ob ich auf die Schnitzschule gehen solle, oder ohne sie den Anlauf auf die Meisterprüfung wagen könnte. Nun bin ich heute doch gegangen und nach der Unterhaltung mit dem Direktor finde ich das „Problem“ aus der Werkstatt zu gehen fast lächerlich, denn es hat mir gleich wieder in der Umgebung der Schule gefallen. Es stellte sich auch heraus, daß auf unserer Schule in Zukunft direkte Meistervorbereitungskurse abgehalten werden. Der erste beginnt am 15. September und geht bis vor die Prüfung im Frühjahr. Ich beginne also im September mit der Schule und bleibe noch so lange in der Werkstatt. […] Christl, das ‚Signum‘ [siehe Abb.] hat unser Florian [Lang] als Gruß an dich geschrieben.“

Dazu der Brief vom 18.9.1961.

Schulbeginn

Aus einem Brief an Ch. Rumold am 18.9.1961: „Jetzt bin ich schon acht Tage auf der Schule [für Holzbildhauerei, Oberammergau] und was den Beruf anbetrifft recht zufrieden. Der Lehrer führt mich sicher in der Arbeit und die saubere Atmosphäre bei ihm tut mir gut. […] Augenblicklich kann ich noch in der Firma [Lang sel. Erben] leicht Geld verdienen durch Entwürfe. Die Frankfurter Messe war erfolgreich mit meinen ‚Madonnen‘. Der Chef zahlt die Entwürfe jetzt auch wesentlich höher.“