Genealogisches Aha-Erlebnis

Unter meinen Vorfahren der letzten drei bis vier Generationen war, wenn man den amtlichen Angaben Glauben schenkt, nicht einmal ein Pfarrer. Auch kein Haus- oder sonstiger Lehrer, erst recht kein Professor oder ähnliches. Aber nicht nur der allgemein geistlich-geistige, nein, auch der ganze musisch-künstlerische Bereich ist vollkommen unter-, ja weniger noch: überhaupt nicht repräsentiert. Ärzte gab es auch keine, noch nicht einmal dental dilletierende Barbiere, mit deren modernen, technisch aufgerüsteten Kollegen mein Vater schon in jungen Jahren mehr zu tun hatte, als ihm lieb gewesen sein dürfte – dies nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Er war noch keine 28 Jahre alt, da musste die zuvor nur überkronte obere vordere Reihe von neun Zähnen komplett ersetzt werden, wie er in einem Brief vom 9. Februar 1957 detailliert erläutert.

Stattdessen gab es mütterlicherseites mindestens einen Schreiner- und einen Glasermeister, einen Landwirt, einen Holzhauer und einen Bahnarbeiter, als dessen Pendant väterlicherseits man vielleicht den 1881 im Schwäbischen geborenen Postillion Georg Adam Jakob Rumold ansehen kann, der dann vor 1905 die aus dem bayerischen Uffing (nicht weit von Oberammergau) gebürtige Köchin Kreszenzia Mayr geheiratet hat. War sie ihm etwa bei einer dienstlichen Fernpostkutschfahrt in Uffing vor die Pferde gelaufen?

Was noch? Ein Postbeamter, ein Gutspächter, ein Söldner, ein Fabrikarbeiter und ein Schneider. Also vielleicht kein Wunder, dass ich mich im Studium immer ein wenig wie im falschen Film fühlte, ohne dass ich hätte sagen können, welches denn der richtige Film für mich gewesen wäre?