Womöglich feiert mein Vater heute, am 22.2.2017, seinen 25sten Todestag. Mit einem jenseitig festlichen Essen? Dann wird es als Nachtisch Schokoladenpudding mit Vanillesoße geben, was hienieden kaum noch kredenzt wird.
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Krongasse 11, Ludwigshafen am Rhein
Zum 86sten
Heute, am 16.10.2015, wäre mein Vater Berthold Rumold 86 Jahre alt geworden, ein Alter, das man ja durchaus erreichen kann, ohne als eine der großen Ausnahmen zu gelten. Am Mittwoch, dem 16. Oktober 1929 um 11 Uhr vormittags kam er in Ludwigshafen (am Rhein) zur Welt. Damals noch auf bayerisch-freistaatlichem Territorium, denn die linksrheinische Pfalz gehörte (bis 1946!) zu Bayern; die Stadt Ludwigshafen hatte da mehr als 100.000 Einwohner. Er war also, sagen wir mal, der 106.274ste. Der Zug ins Bayerische war der Familie nicht nur aufgrund des Wohnorts inhärent. Sein Großvater Georg Rumold hatte eine Kreszenzia Mayr aus dem bayerischen Uffing geheiratet. Uffing ist von Oberammergau, wo mein Vater dann sechs Jahre lang lebte und arbeitete, knapp 20 km (Luftlinie) entfernt.
Bildhauer
„Bildhauer“: das schaurig-magisch-ambivalente Wort. Als Berufsbezeichnung des Vaters für mich zunächst mit einem peinlichen Sonderling-Beiklang, zugleich aber „nichts besonderes“ signalisierend. Später dann ein Wort, das dem so Bezeichneten durchaus eine Sonderstellung verschaffte oder einräumte (Wörter können jemandem einen Lebens-und-Schaffens-Raum einräumen), aber eine prekäre. Als Hauer ein Handwerker, als Bildner ein Bildnis-und-Gleichnis-Macher, mit einem Bein, dem Standbein, noch auf dem Boden der Renaissance (oder gar der Antike) stehend, mit dem anderen, dem Spielbein, in der Moderne herumtastend. Konkret? Jain. Abstrakt? Auch. Figürlich? Irgendwie immer. Künstler? In Maßen. Handwerker? Wie nicht, wollte man nicht, wie der ein oder andere es tat, nur noch Pläne (womöglich am Computer entworfene) ausführen lassen. „Wollte man nicht“, „es tat“ – sind solche Überlegungen für mich passee?
Einer von 51: Gruppenbild mit Berthold R.
Georg Rumold und Georg Rumold
Dokument Lang selig Erben
Solche und solche Mühen oder In der Wand und an der Wand
Was passierte, als die beglückenden Mühen der Berge hinter ihm und die Mühen des Erwerbs- und Familienlebens in der Rheinebene bei Karlsruhe vor ihm lagen und auf ihm lasteten? Es muss mehr als nur ernüchternd gewesen sein, als mein Vater erlebte, was das jahrelang herbeigesehnte ständige Zusammensein mit Frau und Kindern im Alltag bedeutete. Hat er vor sich selbst zugegeben, dass sein vermeintliches Oberammergauer Unglück sein Glück gewesen ist, und dass er, endlich wieder oder erstmals glücklich vereint mit den Seinen, unglücklicher nicht sein konnte? Hinzu kam, dass seine neue alte Werkstatt in Karlsruhe nach 1962 zunächst keineswegs gut lief. Dass in Oberammergau die Nachfrage nach Schnitz- und Bildhauereiwaren kaum befriedigt werden konnte, muss ihn zu dem vermeidbaren Trugschluss verleitet haben, dass dies in Karlsruhe ebenso oder doch so ähnlich auch der Fall sein würde. Die Karlsruher aber brauchten alles mögliche, nur keine geschnitzten Kruzifixe an der Wand.
Edmund Barabbas Bierling