An der Schwelle zum richtigen Bildhauer

Brief an Ch. Rumold aus Oberammergau, 1.8.1960: „Ich zapple verbissen an der Schwelle zum richtigen Bildhauer und schnitze nun schon vierzehn Tage an einem Riemenschneider-Georg, der mir im Augenblick fast nur Ehre einbringt. Aber diese Achtung brauche ich und ich werde auch einmal schneller an den guten Figuren werden, doch jetzt geht es mir um schöne saubere Arbeit. Vor drei Wochen habe ich eine Maria hingestellt, die zu meinem Glück so gut gelungen war, daß sie von meinem Chef mit seinem Namenszug signiert wurde und einen halben Tag lang im Laden stand und schon verkauft war. Schatz, ich schreibe diese Protzerei, weil ich dir und den Kindern gegenüber ein schlechtes Gewissen habe. Wenn wir dein Geld nicht hätten, sähe es arg böse mit unserer Wirtschaft aus. Und doch bin ich in der Arbeit jetzt etwas zufriedener. In den letzten Wochen habe ich immer wieder gedacht, daß ich mit der eigenen Christusschnitzerei niemals ein Meisterniveau erreichen kann. Jetzt geht es ein bissel besser. Es warten zwei gute Aufträge zum Aushauen auf mich, und wenn die wieder hinhauen, hoffe ich, daß ich weiter komme.“

Die hier geäußerten Selbstzweifel meines Vaters und seine Bedenken im Hinblick auf seine Qualifikation als Meister-Schnitzer (nach vier Jahren Oberammergau) waren alles andere als gerechtfertigt. Man sehe sich nur einmal an, wie relativ wenig technisches Können für die Ausführung des (mit der Note „gut“ bewerteten) Meisterstücks dann zwei Jahre später tatsächlich erforderlich war.