Alt gegen Neu

Oberammergau, 9.4.62: „Liebe Christl! / Vielen Dank für Deinen Brief. Nein, die Handwerkskammer hat meinen Entwurf noch nicht genehmigt. Eigentlich ist der ganze Verlauf für mich normal mit Pech versehen. Ich hatte in der Schule bei Herrn Huber alles fertig im Entwurf. Die Arbeit war gewissermaßen der Stolz von Herrn Huber. Der Christophorus ein kraftstrotzender Riese, der unter einer kleinen Last zusammenzubrechen droht. Die ganze Arbeit in die Grundlinie eines Eichenstammes gehalten begeistert mich selbst bis ins Letzte. Die Arbeit wurde von uns fotografiert und an die Handwerkskammer eingesendet. Aber der zuständige Prüfungsausschuß besteht aus Meistern vom alten ’schönen‘ Schlag. Die waren mit dieser ‚modernen‘ Art nicht einverstanden und lehnten sie ab. Herr Huber hat sofort zurückgeschrieben, aber die Herren schwiegen sich aus. Zu allem Übel kam noch dazu, daß mir das Geld fehlt, um selbst in München bei allen zuständigen Meistern vorzusprechen. Ich bin halt wieder in die Werkstatt zurück, um wieder normal Geld zu verdienen. Aber ich habe schon so viel Schulden auch mit dem Stammholz, daß ich wieder für eine Weile zu zappeln habe. Ich muß die Prüfung um ein Jahr verschieben. Es geht diesmal noch nicht. Natürlich bin ich dementsprechend in moralischer Verfassung. Ich möchte jetzt wenigstens von meinen Geldschulden loskommen. Zum Glück habe ich wenigstens eine gut bezahlte Arbeit. Christl, ich sage Dir halt diesmal wieder meine herzlichen Grüße, auch an die Kinder. / Dein Berthold!“