Archiv für den Monat: Juli 2015

Betende Hände und ihre Wirkung

Oberammergau, 25.12.1956, an Ch. Rumold: „Die Süßigkeiten des schönen Paketes haben mir schon zum Teil gut geschmeckt und die Wurst kam mir gerufen. Im allgemeinen streiche ich mir Honig auf’s Brot, die Wurst ist so teuer, da war es mir aber jetzt doch recht. Die warmen Untersachen von Mutti kann ich ja auch sehr gut gebrauchen, sage ihr bitte meinen herzlichen Dank. Der Waltraud hättest Du vielleicht besser nicht die ‚Betenden Hände‚ geschickt, denn die fühlt sich jetzt scheinbar verpflichtet, also wenn ich denke, daß Du ihrem Mann einmal bei besonderen Anlässen etwas schenken wirst mit der Beischrift ‚dem lieben Günther‘, na danke, ich bekäme zumindest ein leicht zu definierendes Gefühl um die Herzgegend.“

Das neue Lied ist das alte Lied

„Oberammergau, 2.4.62 / Liebe Christl! / Vielen Dank für Deinen lieben Brief. Es geht mir gesundheitlich soweit gut. Leider das andere macht mir Sorgen. Die Handwerkskammer hat noch immer keinen Bescheid, ob sie das Meisterstück jetzt doch genehmigt. Seit heute bin ich wieder ganz in der Werkstatt. Ich brauche überhaupt Geld. Das ist alles an Neuem. / Ich sende Dir herzliche Grüße, ebenso den Kindern / Dein Berthold!“

Solche und solche Mühen oder In der Wand und an der Wand

In den Ammergauer Bergen.

In den Ammergauer Bergen.

Was passierte, als die beglückenden Mühen der Berge hinter ihm und die Mühen des Erwerbs- und Familienlebens in der Rheinebene bei Karlsruhe vor ihm lagen und auf ihm lasteten? Es muss mehr als nur ernüchternd gewesen sein, als mein Vater erlebte, was das jahrelang herbeigesehnte ständige Zusammensein mit Frau und Kindern im Alltag bedeutete. Hat er vor sich selbst zugegeben, dass sein vermeintliches Oberammergauer Unglück sein Glück gewesen ist, und dass er, endlich wieder oder erstmals glücklich vereint mit den Seinen, unglücklicher nicht sein konnte? Hinzu kam, dass seine neue alte Werkstatt in Karlsruhe nach 1962 zunächst keineswegs gut lief. Dass in Oberammergau die Nachfrage nach Schnitz- und Bildhauereiwaren kaum befriedigt werden konnte, muss ihn zu dem vermeidbaren Trugschluss verleitet haben, dass dies in Karlsruhe ebenso oder doch so ähnlich auch der Fall sein würde. Die Karlsruher aber brauchten alles mögliche, nur keine geschnitzten Kruzifixe an der Wand.

Die Bedingungen der Möglichkeit des Gedankens der Freiheit sind nicht immer gegeben

Oberammergau, 24.6.1959, an Ch. Rumold: „Heute Morgen habe ich in einer Zeitung etwas von Schiller gelesen, nur so ein Wort vom edel sein des Menschen, und mich dabei an eine Radiosendung vom Samstag erinnert, in der der Ansager das Schillerjahr erwähnte und meinte, wenn er sich heute ein Schauspiel von Schiller anhört, dann klingt ihm die Sprache darin wohl gedrechselt und fremd. Aber wir müssen im Gesamtblick auf das Schaffen des Mannes immer anerkennen, daß er in unbändigem Maße die Freiheit von den Diktatoren den Menschen als Ziel vorstellte. / Ich habe mir später gedacht, daß er beinahe ein Gesetz der Freiheit, der Moral in der Freiheit schuf. Im Gegensatz zur Freiheit Goethes. Wie Beethoven gegen Mozart. Und bei der Sprache halte ich ihm zugute, daß er eben seine Speise mit Messer und Gabel ißt. Ich habe mich in Aalen zu sehr von den Umständen beeinflussen lassen und war unmöglich frei für seine Gedanken. Aber Christl, mein Lieb, du hast sicher andere Sorgen im Kopfe als jetzt so etwas.“